118 km Bahnstrecke – dabei quer durch das wirbelige Zentrum der britischen Hauptstadt. Alle 110 Sekunden ein Zug, jeder mit Kapazität für 1500 Passagiere. Baukosten von 14,5 Milliarden Pfund (derzeit etwa 20,7 Milliarden Euro). Megalomanie. Das Infrastrukturprojekt „Crossrail“ in England verbindet Reading, 59 km westlich von London liegend, mit dem etwa 34 km östlich von London gelegenen Brentwood-Shenfield (Streckenführung siehe Video 1). Inklusive Abzweigungen nach Heathrow und Abbey Wood befinden sich 42 km der Strecke unterirdisch. Der Bau der Tunnelanlage erfolgte dabei nahezu voll-automatisch (siehe Video 2).
Bis zu 200 Millionen Passagiere sollen damit ab 2019 befördert werden. Die Kapazität des Londoner ÖPNV wird um 10 % erhöht. Doch warum reiht es sich in die Reihe der urbanen Innovationen? Schließlich sind weitläufige Nahverkehrssysteme mit Zügen alles andere als neuartig. Auch wenn es sich besonders gut mit anderen Verkehrsmodi verknüpft.
Es fällt nur auf, dass dieses Projekt (für ein Projekt einer Metropolregion) ungewöhnlich international ist, was exemplarisch für Bauprojekte in einer Stadt 2.0 steht:
Die Züge baut eine Firma aus Kanada (Bombardier).
Die Fahrleitungen kommen aus der Schweiz (Furrer + Frey).
Die Sicherheitstechnik kommt aus Deutschland (Siemens), wie auch die 8 Tunnelbohrmaschinen (Herrenknecht).
usw. usw. (insgesamt 140 Hauptlieferanten)
Höhepunkt ist der spätere Betrieb durch MRT, eine Firma aus Hong Kong. Sie wird Crossrail mit etwas 1100 Mitarbeiter aufrechterhalten. Die Auslagerung des Betriebs nach China ist sicherlich eine Innovation (wobei dies bereits auch bei der Stockholmer U-Bahn der Fall ist), wenn auch nicht unbedingt im positivsten Sinne: Es bleibt zu beobachten wie dies sich auf die Service-Qualität und Mitarbeiter-Zufriedenheit auswirken wird.
Die Stadtentwickler suchen sich die besten Partner weltweit aus. Ein Regional-Patriotismus bei der Auftragsvergabe scheint weniger stark ausgebildet zu sein. Liegt es am großen Konkurrenzdruck den diese Stadt im Kampf um die Gunst der globalen Arbeits- und Geldelite spürt?
Das wachsende London wird sein Verkehrsproblem dadurch nicht in den Griff bekommen. Das nächste Projekt ist bereits in der Planung: Crossrail 2 (siehe Video 3). Von Süd nach Nord für 35 Milliarden Euro.
Video 1
Video 2
Video 3 (ab 00:57min)